Getreide im Tierfutter – Körner für den Hund, Katzen mit Müsli?

Wheat field

🥣 Getreide im Tierfutter – Körner für den Hund, Katzen mit Müsli?
Ein tierärztlicher Blick auf Mythen, Märchen und Marketingblasen
von Dr. Sebastian Stark

 
Es klingt wie aus der veganen Bio-Broschüre: "Getreidefrei – für eine artgerechte Ernährung." Und weil es so schön hip klingt, glauben es viele. Aber wie so oft gilt auch hier: Nicht alles, was aus der Werbeabteilung stammt, hat einen wissenschaftlichen Nährwert.

 
🌾 Ist Getreide der neue Teufel im Napf?
Die große Angst vorm Korn hat längst auch den Heimtiermarkt erreicht. Was einst in jeder Trockenfutterkrokette steckte, gilt nun als minderwertiger Füllstoff, Allergieauslöser oder gar „Katzengift“. Wer seinem Tier etwas Gutes tun will, muss scheinbar den Dinkel dämonisieren und den Hafer hassen.

Nur: Wo ist der Beweis? Wo die belastbaren Zahlen? Wo die kontrollierten Studien, die zeigen, dass ein Golden Retriever an einem Maisanteil im Futter elendig verreckt?

 
🧪 Der Blick in die Wissenschaft – ganz ohne Märchen
Getreide liefert Kohlenhydrate – das stimmt. Und ja: Der Vorfahre des Hundes, der Wolf, hat keine Getreidefelder geerntet. Aber: Der moderne Hund ist kein Wolf. Er ist ein Allesfresser mit erstaunlicher Amylase-Aktivität – also der Fähigkeit, Stärke zu verdauen. Das ist evolutionär erwiesen, nicht ideologisch vermutet.

Bei Katzen sieht es differenzierter aus. Als obligate Karnivoren – also Fleischfresser – brauchen sie kein Getreide. Aber „nicht brauchen“ heißt nicht gleich „nicht vertragen“. In moderaten Mengen schadet es ihnen nicht. Was sie brauchen, sind essentielle Aminosäuren, nicht zwingend ein Filet vom Thunfisch in Sushi-Qualität.

 
🐾 Die Wahrheit über sogenannte „Getreideallergien“
Die meisten „Getreideunverträglichkeiten“, die in Internetforen heiß diskutiert werden, beruhen eher auf Fantasie als auf Diagnostik. Echte Futtermittelallergien sind selten – und wenn sie auftreten, dann in aller Regel auf tierisches Eiweiß, vor allem auf Rind, Huhn oder Milchprodukte.

Dass der arme Weizen die Schuld trägt, ist bequem – aber selten richtig.

 
💶 Marketing statt Medizin?
Getreidefrei ist ein Verkaufsargument, keine medizinische Notwendigkeit. Manche Firmen ersetzen Getreide durch Kartoffel oder Süßkartoffel – das klingt exotischer, ist aber ernährungsphysiologisch kaum ein Unterschied. Stärke bleibt Stärke. Der Preisunterschied liegt eher in der Aufmachung als im Mehrwert.

 
Fazit: Keine Panik vorm Korn
Getreide ist kein Tierquäler. Es ist ein Energie- und Faserlieferant – und in hochwertigem Futter durchaus sinnvoll, wenn es richtig eingesetzt wird. Wer auf Qualität achten will, sollte nicht auf die Verpackung starren, sondern auf die Gesamtrezeptur: Tierisches Eiweiß an erster Stelle, klare Deklaration, keine unnötigen Füllstoffe. Dann darf da auch mal ein Körnchen drin sein.

 
Denn wer glaubt, ein Hund wird durch Wildreis gesünder, hat vielleicht selbst einen an der Waffel.